Dienstag, 3. Mai 2016

TTIP oder die totale Verblödung der politischen Debatte

Nun hat also Greenpeace angeblich "geheime" Verhandlungspapiere geleaked, wie es so schön auf Neudeutsch heisst. Eine Riesenüberraschung! Die politischen Kommentarspalten kochen! TTIP jetzt endgültig am Ende! Was steht wirklich drin? Absolut nichts neues, altbekannte Verhandlungspositionen der US-Regierung und der EU werden durchdekliniert, die keinerlei Überraschungen bieten. Die Vereinigten Staaten möchten gerne auch genetisch modifizierte Pflanzen exportieren, die EU möchte an ihren "Standards" festhalten. Die Vereinigten Staaten möchten dafür ihre öffentlichen Aufträge nicht an europäische Firmen vergeben, die EU fordert aber diese Möglichkeiten usw. usf. Alter Wein in alten Schläuchen.

Die ganze Debatte um TTIP zeigt exemplarisch, wie komplett verblödet und verschoben die politische Debatte zwischen "Linken" und "Rechten" inzwischen ist. Derzeit ist die EU Millionen Lichtjahre von echtem Freihandel entfernt. Man lese einfach mal die anzuwendenden abertausenden von Zollvorschriften und sonstigen Richtlinien, Erlasse, Gesetze, Anti-Dumping-Zöllen, Standards etc., die den freien Import von Gütern und Dienstleistungen in die EU verunmöglichen und erschweren. All das ist blanker Protektionismus. Allen voran für die Landwirtschaft aber auch für fast jede andere Branche. Nicht der Konsument entscheidet in Europa, was und für welchen Preis er oder sie konsumiert, sondern Bürokraten, Lobbyisten, NGOs und weiss der Teufel welche Interessengruppen noch am protektionistischen Spiel beteiligt sind. Nicht ich als mündiger Bürger darf darüber urteilen, ob ich genoptimierte Pflanzen zu mir nehmen will, billigen Stahl aus China verwenden möchte oder einen Arzt in Indien per Internet konsultiere. Nein, Vater Staat nimmt mir freundlicherweise all diese Entscheidungen ab. Die höheren Kosten für Zölle oder alternative Produkte oder Leistungen trage ich natürlich selbst.

TTIP würde diese Situation möglicherweise in kleinsten Schritten verbessern (bilateral auf die USA und die EU beschränkt - über den Rest der Welt redet sowieso keiner, für die spendet der aufrechte Sozialdemokrat dann wieder an Weihnachten). Sicherlich ist TTIP daher nicht falsch, aber weit davon entfernt echten Freihandel zu ermöglichen. Man mache sich keine Illusionen: 99% der Freihandelshemmnisse würden bestehen bleiben. Um dieses ganze eine Prozent geht der Streit. Eine komplette Lächerlichkeit. Es ist abstossend zu sehen, wie sich NGOs, Lobbyisten, Politiker, angebliche Umweltschützer und Agrarfunktionäre aufblasen, um vom "Allgemeinwohl" zu schwadronieren, dabei geht es  im Kern nur darum die Partikularinteressen einzelner Gruppen zu schützen - seien dies Bauern, Stahlarbeiter, Pharmabosse oder öffentliche Bedienstete. Und es komme mir keiner damit, wie grossartig und toll die europäischen "Standards" sind. Die sind so grossartig, dass der Staatskonzern Volkswagen sie über Jahre hinweg bei den Abgaswerten einfach betrügerisch und ungestraft unterlaufen konnte und erst eine amerikanische Behörde kam den sauberen Europäern auf die Spur. Grossartige Standards.

Freihandel war der Schlüssel zum ökonomischen Aufstieg Europas und der Vereinigten Staaten im 18. und 19. Jahrhundert. Zunehmender Protektionismus - gefördert und gefordert von linken und grünen Politikern Hand in Hand mit Bauernlobby und Co. - ist das sichere Rezept zum weiteren Abstieg.