Montag, 26. Dezember 2016

Tödlicher Protektionismus

Der freie Handel in der Welt ist zum Abschuss freigegeben. Von links und rechts, von Attac bis Trump, wird der Gedanke des freien Austauschs von Waren, Dienstleistungen, Arbeitskräften und Kapital gegeisselt.  Globalisierung könne tödlich sein, so trompetet  ein gewisser Thomas Fricke auf SPON, mit Verweis auf  eine Studie, die höhere Selbstmordraten unter US-Arbeitern findet, welche besonders von chinesischen Importen betroffen seien.

Doch Protektionismus tötet auch -  und zwar in einem viel höheren Ausmaß. Nehmen wir als Beispiel die landwirtschaftlichen Schutzzölle, die insbesondere Europa und Nordamerika errichtet haben. Ein grosser Teil wichtiger landwirtschaftlicher Produkte, von Fleisch bis Tomaten, von Zucker bis Weizen dürfen in die EU oder in andere entwickelte Märkte gar nicht oder nur unter Zahlung massiver Zölle eingeführt werden. Dazu kommen viele Regelungen, bei denen es nicht um Zölle geht, die aber auch dazu dienen die Wareneinfuhr zu beschränken. Bauern in  afrikanischen und asiatischen Volkswirtschaften, die weitgehend auf landwirtschaftlicher Produktion beruhen, werden wichtiger Absatzmärkte beraubt. Die Folge: Armut, Hunger, Tod. Millionenfach.

Doch es trifft nicht nur die armen Länder. Es trifft  auch die Armen in den entwickelten Ländern. Die Abschottung gegenüber Importen verteuert viele Waren. Gerade im Lebensmittelbereich könnten viele Produkte günstiger sein, wenn Importe nicht behindert oder verhindert würden. Fast alle Waren des täglichen Grundbedarfs sind davon betroffen. Also solche Waren, für die die Ärmsten in unserer Gesellschaft oft einen Grossteil ihres verfügbaren Einkommens aufwenden müssen.  Aber es gibt auch Folgen, die für Menschen noch direktere, manchmal tödliche Konsequenzen haben. So werden Arzneimittel, die in den USA erhältlich sind oftmals in Europa nicht (oder nicht rechtzeitig) zugänglich gemacht. Umgekehrt gilt das natürlich genauso. Ein Beispiel ist das Krebsmittel Mylotarg, das in den USA schon 2000 zugelassen wurde und in Europa 2007 keine Zulassung erhielt. Schwerkranken Krebspatienten in Europa ist es nicht einmal erlaubt, dieses Medikament als letzte Möglichkeit zu nutzen,wenn alle anderen Therapien versagt haben.

So könnte man unzählige weitere Beispiele aufzählen. Doch im Unterschied zu arbeitslosen Stahlarbeitern in Pennsylvania, haben verarmte Bauern in Afrika oder schwerkranke Krebspatienten keine Lobby, die für sie sprechen. Kein Gewerkschaftsfunktionär, kein Donald Trump und kein Attac-Sprecher werden jemals diese Fälle aufgreifen und die Fahne des Freihandels hochhalten. Denn die im Dunkeln sieht man nicht. Und doch überwiegt der Nutzen des Freihandels seine Verwerfungen in einem solch unglaubliche Mass, dass man nur den Kopf schütteln kann über so viel Ignoranz.