Samstag, 28. November 2020

Der Fall Rapha: Wie ein Unternehmen die Meinungsfreiheit einschränkt

Die Firma Rapha, mit Sitz in UK, stellt modische Bekleidung für Radsportler her. Trikots, Radhosen, Kappen, Sonnenbrillen, Socken und so weiter. Die Ware ist nicht billig, aber kommt bei der meist mittelalten, wohlhabenden und männlichen Kundschaft gut an. Der Radsportboom der letzten Jahre hat die Firma stark expandieren lassen. Vor einigen Tagen erreichte mich eine Mail der Firma, die ich nicht nur falsch, sondern  empörend fand. Hier ein Ausschnitt:

"Wir schreiben dir nun, um unsere Position bezüglich der Social-Media-Aktivitäten von Chloé Dygert, der neuen Fahrerin von Canyon//SRAM Racing, klarzustellen. Im Juni billigte Chloé transfeindliche und rassistische Ansichten in den sozialen Medien. Rapha verurteilt diese Handlungen von ganzem Herzen, zumal sie beleidigend und spalterisch waren und weder im Radsport noch in der Gesellschaft einen Platz haben. (....) Am Ende dieses Prozesses sind wir davon überzeugt, dass Chloé sehr ernsten Fehlurteilen erlegen ist, was durch ihre unzureichende Entschuldigung noch verschlimmert wurde. (...) 

Canyon//SRAM Racing hat bereits deutliche Schritte unternommen, um mit Chloé zu arbeiten und dazu einen externen Berater für Diversität und Inklusion bestellt. Ziel ist ein umfassendes Schulungsprogramm zu Diversität und Inklusion, das auf Dialog und Bildung setzt. Wir versprechen uns davon einen merklichen Einfluss auf das Team und darüber hinaus. (....)

Als Ergebnis unserer Gespräche der vergangenen zehn Tage, der Bereitschaft, die Chloé gezeigt hat sowie der zielführenden Maßnahmen, die Canyon//SRAM Racing einführt, wird Rapha das Team weiterhin unterstützen. Abschließend möchten wir unsere Haltung zu diesem Vorfall noch einmal klar formulieren. Diskriminierung hat keinen Platz im Radsport oder in der Gesellschaft, und wir sehen uns dazu verpflichtet, sie in allen ihren Formen zu bekämpfen, indem wir Diversität, Inklusion und Gleichberechtigung im Radsport fördern.(....)"

Was hatte Chloé Dygert getan? Hat Sie den Ku-Klux-Klan unterstützt und zu Gewalt aufgerufen? Hat Sie andere Menschen an Leib und Leben bedroht? Weit gefehlt!

Dienstag, 25. August 2020

Mein Bauch gehört foodwatch

 Haribo macht Kinder nicht mehr froh. Das weiss zumindest foodwatch. Es geht um die Kooperation zwischen der Deutschen Bahn und Haribo:

„Ein Süßwarenhersteller ist angesichts der grassierenden Adipositas-Epidemie und weitverbreiteten Fehlernährung als Partner für ein Staatsunternehmen inakzeptabel“,

weiss Politikwissenschaftlerin Luise Molling von foodwatch. Denn die Deutsche Bahn als Staatskonzern habe eine Vorbildfunktion und müsse die "Ernährungsziele" aus dem Koalitionsvertrag umsetzen. Nun kann man ja seine Zweifel an der "grassierenden Adipositas Epidemie" haben (angesichts einer mindestens genauso grassierenden Magersucht-Epidemie bei jungen Menschen) und auch die "weitverbreitete Fehlernährung" (alle die keine Veganer *innen sind?) wartet noch auf Belege und Nachweise. Ob der Bahnvorstand alle Punkte des Koalitionsvertrags - auch ausserhalb des Themas Personenverkehr -  als Konzernstrategie befolgen muss, ist auch nicht gerade selbsterklärend.

Aber darum geht es unseren Moralaposteln von foodwatch gar nicht. Es geht darum zu definieren, was der Bürger noch guten Gewissens zu sich nehmen darf. Nur Nahrungsmittel, die auf der "Approved-Liste" der Lobbyorganisation foodwatch sind, dürfen von Eltern guten Gewissens an ihre Kinder verfüttert werden. Süssigkeiten gehören auf keinen Fall dazu.

Haribo ist ein Süsswarenhersteller. Seit Jahrzehnten produziert man in Bonn Gummibärchen, Gummischlangen, Lakritz und süssen Konfekt. Haribo macht auch kein Geheimnis daraus, dass man in den bunten Tüten nur Süssigkeiten findet. Der Zucker wird nicht auf langen Zutatenlisten versteckt. Die Kalorien finden sich nicht im Kleingedruckten. Nein, es sind Süssigkeiten. Sie sind dafür gedacht "Kinder und Erwachsene froh zu machen". Zum Nachtisch, zwischendurch, als Belohnung oder in der Fussballpause. Und genau das ist der Dorn im Auge der Food-Propheten. Es geht um Kontrolle, um das Vorschreiben eines moralisch einwandfreien Lebenswandels (und wenn man diesen nur auf die Kinder projeziert und sie stellvertretend quält). Die Wahlfreiheit sich selbst etwas zu gönnen, den Kindern etwas zu gönnen, ist der Feind im Weltbild der Nahrungskommissare. 

Natürlich wird die foodwatch-Funktionär*in jetzt einwenden, dass es nicht gegen "die Menschen" geht, sondern nur gegen die raffgierigen Konzerne, die uns alle manipulieren, verführen und zum Konsum reinen Gifts zwingen. Doch ein Blick auf die Website der Organisation belehrt eines besseren:

  • Keine Chips (wegen Acrylamid - seit 2002 nie wieder etwas davon gehört)
  • Keine Schulmilch (wegen Zucker)
  • Keine Viehzucht (wegen Klima)
  • Keine Lebensmittel aus Nordamerika (wegen Freihandel)
  • ...

Es geht um Verbote. Nicht um Aufklärung. Der Konsument soll keine Produkte mit "zugesetztem" Zucker erwerben können. Der Konsument soll nicht die Wahl haben, ein Steak aus Texas in die Pfanne zu hauen. Der Konsument soll eigentlich gar kein Fleisch mehr verbauchen. Und die Schokomilch in der Pause trifft auch der Bannstrahl. 

foodwatch weiss besser als Du und ich, als Mütter und Väter, als Konsumentinnen und Konsumenten, was gut und schlecht für unseren Körper, unser Land, ja unsere ganze Welt ist. Deshalb gehört unser Bauch foodwatch. 

Oder wie Foucault sagen würde: 

„So formiert sich eine Politik der Zwänge, die am Körper arbeiten, seine Elemente, seine Gesten, seine Verhaltensweisen kalkulieren und manipulieren. Der menschliche Körper geht in eine Machtmaschinerie ein, die ihn durchdringt, zergliedert und wieder zusammensetzt."


Freitag, 15. Mai 2020

10 Fragen an einen katholischen Globalisierungsgegner, der die Coronakrise nutzen will, um "nicht in die Gleise zurückzukehren, die in den Abgrund führen"

Jeden Morgen höre ich um kurz vor acht Uhr auf SWR2 das "Wort zum Tag". Meist ist es belanglos, manchmal nachdenkenswert und hin und wieder entsteht bei mir ein grosses Fragezeichen. Heute war so ein Tag, an dem ich mich gewundert habe. Dr. Kuhn von der katholischen Kirche sprach zum Thema "Zurück in die Gleise, die in den Abgrund führen?" Es gehe darum, dass der globale Kapitalismus uns in den Abgrund führe und dass die katholische Kirche der Welt daher nahe lege, die Corona-Krise zu nutzen, um Busse zu tun und radikal umzukehren. Ich bin jedenfalls ratlos an meinem DAB-Empfänger zurückgeblieben und kann mir nicht erklären, wie jemand angesichts aktueller Arbeitslosenzahlen und der akuten Gefahr von Hungersnöten in Afrika durch unterbrochene Lieferketten zu solchen Schlüssen kommen kann. Daher habe ich mir 10 Fragen für Dr. Kuhn überlegt und ich freue mich auf seine ehrlichen Antworten:

1. Das globale "Abschalten" der Wirtschaft hat fast überall auf der Welt zu einer - seit 1929 nicht mehr gekannten - explosiven Zunahme von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und Armut geführt. So standen selbst im reichen Genf letzte Woche 2500 Menschen Schlange für kostenlose Grundnahrungsmittel. Halten Sie das für eine gute oder schlechte Entwicklung?

2. Sie sprechen davon, dass wir nicht zur "Selbstausrottung" der Menschheit zurückkehren können. Wo hat ihrer Meinung nach eine "Selbstaurottung der Menschheit" in den letzten Jahren stattgefunden? Wie messen Sie diese?

3. Sind Sie mit mir einig, dass jetzt vorrangig das Coronavirus und die Krankheit Covid-19 bekämpft werden müssen?

4. Und wenn ja, wer wird ihrer Meinung nach Impfstoffe und Medikamente  schnell und in grosser Menge produzieren können?

5. Sie sprechen auch davon, dass man nicht wieder in die gleichen Gleise zurück solle, wie vor der Krise. Können sie dann die Alternative dazu beschreiben? Besteht ihrer Meinung die Alternative darin, Unternehmen und Gewerbe auf Dauer geschlossen zu lassen und die Produktion von Gütern einzustellen?

6. Sie betonen auch, dass der Coronavirus gezeigt habe, dass wir uns wirtschaftlich noch viel mehr beschränken können, um das Gute zu tun, um Menschenleben zu retten. Können sie näher beschreiben, wer das "wir" genau ist? Meinen sie damit z.B. die Arbeiter und Angestellten in den Auto- und Maschinenfabriken rund um Stuttgart, die momentan keine Arbeit haben und von denen viele ihren Arbeitsplatz dauerhaft verlieren könnten?

7. Wie sieht ihre Alternative zu globalen Lieferketten aus? Sind sie bereit auf das Handy in ihrer Hosentasche, auf Solaranlagen auf ihrem Dach und auf Antibiotika zu verzichten, denen allen gemeinsam ist, dass wesentliche Zulieferer weltweit verteilt sind?

8. In den letzten Jahrzehnten sind mehr ale eine Milliarde Menschen global der absoluten Armut entkommen. Sind Sie der Meinung, dass diese Entwicklung einem Trend hin zu sozialistischen oder marktwirtschafltichen Prinzipien zu verdanken ist?

9. Wenn sie die Globalisierung zurückfahren wollen, was erklären sie dann den Menschen in Indien, die unsere Software programmieren oder den Menschen in Vietnam, die Möbel für uns produzieren? Wie erklären sie ihnen, dass sie ihre Arbeit verlieren sollen?

10. Warum haben sie mit keinem Wort erwähnt, dass die katholische Kirche durch ihre Ablehnung von Verhütungsmitteln zu einem wesentlichen Teil an der ungebremsten Zunahme der Bevölkerung in den ärmsten Teilen der Welt beiträgt? Finden sie, dass es hier auch einer Umkehr bedarf?




Dienstag, 21. April 2020

Ludwig Bamberger und Eugen Richter - liberale Kämpfer gegen den preussichen Obrigkeitsstaat (Rezension)

Benedikt Koehler: Ludwig Bamberger. Revolutionär und Bankier. DVA (Stuttgart), 1999
Ralph Raico: Die Partei der Freiheit: Studien zur Geschichte des deutschen                   Liberalismus. Lucius Verlag (Stuttgart), 1999.                                                                     

"Bedenke das Ende!" - auf Lateinisch "Respice finem!", so warnte Ludwig Bamberger 1884 in der Debatte um die von Bismarck eingebrachten Wohlfahrtsgesetze. In einem genialen Schachzug hatte  Reichskanzler Bismarck verschiedene Sozialversicherungsgesetze eingebracht, neben der Krankenversicherung auch Renten- und Unfallversicherung. Es ging Bismarck darum,
"die arbeitenden Klassen zu gewinnen, oder soll ich sagen zu bestechen, den Staat als soziale Einrichtung anzusehen, die ihretwegen besteht und für ihr Wohl sorgen möchte." (Otto von Bismarck)
Der eiserne Kanzler hatte erkannt, dass man die Bevölkerung mit gezielten Zuwendungen und Umverteilungsmassnahmen gefügig machen konnte. Nicht die brachiale Unterdrückung der Sozialdemokratie durch die Sozialistengesetze, sondern die Bestechung durch staatliche Almosen konnten die Arbeiterschaft für den preussich dominierten, konservativen Staat Bismarcks gewinnen.

Ludwig Bamberger

Ludwig Bamberger war einer der führenden Vertreter der Freisinnigen im Reichstag. Zusammen mit Eugen Richter war Bamberger einer der schärfsten Kritiker der staatlichen Fürsorgegesetzgebung unter Kanzler Bismarck. Mit grosser Hellsicht sagte er voraus, dass die staatliche Wohlfahrtspolitik nicht nur immer neue Ansprüche an die staatliche "Daseinsfürsorge" erzeugen würde, sondern auch die Macht der staatlichen Verwaltung über die Bürger ungemein stärken würde.  In der Retrospektive sollten Bamberger und Richter auf fast unheimliche Weise Recht behalten.

Ludwig Bamberger und Eugen Richter waren zwei inzwischen fast vergessene Liberale des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Sie kämpften für die gleiche Sache, doch ihr Lebensweg hätte nicht unterschiedlicher sein können. Auf der einen Seite Bamberger, ein Jude aus Hessen, der eine glänzende Karriere im Bankgeschäft macht, nicht zuletzt an der Gründung der Deutschen Bank und der Reichsbank entscheidend beteiligt war. In jungen Jahren war er ein Revoluzzer, dessen Aktivismus in der Revolution von 1848 ihm lange Jahre im Exil und sogar ein in Abwesenheit gesprochenes (aber nie vollstrecktes) Todesurteil einbrachten.

Sonntag, 2. Februar 2020

Woke Akademia - die richtige Haltung als Voraussetzung für eine akademische Karriere


Die Politisierung der akademischen Welt schreitet unaufhörlich voran. Jeder Bewerber an einer Hochschule des University-of-California-Systems, welches alle staatlichen Universitäten - z. B. Berkeley - des Westküstenstaats umfasst, müssen ein "Diversity Equity and Inclusion Statement" abgeben. Diese Erklärung verpflichtet den Bewerber zu demonstrieren, wie er sich mit Diversität, Gleichheit und Inklusion beschäftigt und befördert hat.

Es geht also nicht darum, dass ein Bewerber z.B. einer Minderheit angehört, sondern dass er im Detail darlegt, wie er sich für die politischen Ziele der Gleichstellung und Inklusion konkret eingesetzt hat. Für die "Qualität" dieser Erklärung werden Noten vergeben und wer nicht eine Mindestpunktzahl erreicht, ist vom weiteren Bewerbungsprozess ausgeschlossen. Es handelt sich also ganz klar um einen Gesinnungstest, der von jedem Bewerber bestanden werden muss. Im Übrigen sind nicht nur Neubewerbungen betroffen, sondern z. B. auch Professoren, die eine Gehaltserhöhung beantragen.

Dass das ganze auch ernst gemeinst ist, zeigt, dass bei der Auswahl für eine Stelle in den Life Sciences in Berkeley der ursprüngliche Pool von 893 Bewerbern, die die Grundanforderungen erfüllten, auf nur 214 reduziert wurden, welche angeblich die notwendigen Beiträge zur Gleichstellung, Diversität und Inklusion geleistet hatte.

Es geht also hier nicht mehr darum, die Stellen an der Universität mit Vertretern diverser Gruppierungen zu besetzen, was ja noch eine gewisse Logik hätte, sondern es geht ausschliesslich darum, die Fakultät mit gleichgesinnten Ideologen zu besetzen. Mit anderen Worten: Es geht um Gleichschaltung.