Freitag, 15. Mai 2020

10 Fragen an einen katholischen Globalisierungsgegner, der die Coronakrise nutzen will, um "nicht in die Gleise zurückzukehren, die in den Abgrund führen"

Jeden Morgen höre ich um kurz vor acht Uhr auf SWR2 das "Wort zum Tag". Meist ist es belanglos, manchmal nachdenkenswert und hin und wieder entsteht bei mir ein grosses Fragezeichen. Heute war so ein Tag, an dem ich mich gewundert habe. Dr. Kuhn von der katholischen Kirche sprach zum Thema "Zurück in die Gleise, die in den Abgrund führen?" Es gehe darum, dass der globale Kapitalismus uns in den Abgrund führe und dass die katholische Kirche der Welt daher nahe lege, die Corona-Krise zu nutzen, um Busse zu tun und radikal umzukehren. Ich bin jedenfalls ratlos an meinem DAB-Empfänger zurückgeblieben und kann mir nicht erklären, wie jemand angesichts aktueller Arbeitslosenzahlen und der akuten Gefahr von Hungersnöten in Afrika durch unterbrochene Lieferketten zu solchen Schlüssen kommen kann. Daher habe ich mir 10 Fragen für Dr. Kuhn überlegt und ich freue mich auf seine ehrlichen Antworten:

1. Das globale "Abschalten" der Wirtschaft hat fast überall auf der Welt zu einer - seit 1929 nicht mehr gekannten - explosiven Zunahme von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und Armut geführt. So standen selbst im reichen Genf letzte Woche 2500 Menschen Schlange für kostenlose Grundnahrungsmittel. Halten Sie das für eine gute oder schlechte Entwicklung?

2. Sie sprechen davon, dass wir nicht zur "Selbstausrottung" der Menschheit zurückkehren können. Wo hat ihrer Meinung nach eine "Selbstaurottung der Menschheit" in den letzten Jahren stattgefunden? Wie messen Sie diese?

3. Sind Sie mit mir einig, dass jetzt vorrangig das Coronavirus und die Krankheit Covid-19 bekämpft werden müssen?

4. Und wenn ja, wer wird ihrer Meinung nach Impfstoffe und Medikamente  schnell und in grosser Menge produzieren können?

5. Sie sprechen auch davon, dass man nicht wieder in die gleichen Gleise zurück solle, wie vor der Krise. Können sie dann die Alternative dazu beschreiben? Besteht ihrer Meinung die Alternative darin, Unternehmen und Gewerbe auf Dauer geschlossen zu lassen und die Produktion von Gütern einzustellen?

6. Sie betonen auch, dass der Coronavirus gezeigt habe, dass wir uns wirtschaftlich noch viel mehr beschränken können, um das Gute zu tun, um Menschenleben zu retten. Können sie näher beschreiben, wer das "wir" genau ist? Meinen sie damit z.B. die Arbeiter und Angestellten in den Auto- und Maschinenfabriken rund um Stuttgart, die momentan keine Arbeit haben und von denen viele ihren Arbeitsplatz dauerhaft verlieren könnten?

7. Wie sieht ihre Alternative zu globalen Lieferketten aus? Sind sie bereit auf das Handy in ihrer Hosentasche, auf Solaranlagen auf ihrem Dach und auf Antibiotika zu verzichten, denen allen gemeinsam ist, dass wesentliche Zulieferer weltweit verteilt sind?

8. In den letzten Jahrzehnten sind mehr ale eine Milliarde Menschen global der absoluten Armut entkommen. Sind Sie der Meinung, dass diese Entwicklung einem Trend hin zu sozialistischen oder marktwirtschafltichen Prinzipien zu verdanken ist?

9. Wenn sie die Globalisierung zurückfahren wollen, was erklären sie dann den Menschen in Indien, die unsere Software programmieren oder den Menschen in Vietnam, die Möbel für uns produzieren? Wie erklären sie ihnen, dass sie ihre Arbeit verlieren sollen?

10. Warum haben sie mit keinem Wort erwähnt, dass die katholische Kirche durch ihre Ablehnung von Verhütungsmitteln zu einem wesentlichen Teil an der ungebremsten Zunahme der Bevölkerung in den ärmsten Teilen der Welt beiträgt? Finden sie, dass es hier auch einer Umkehr bedarf?