Mittwoch, 27. März 2019

Urheberrechtsreform: Was Verlagshäuser, Bauern und Donald Trump vereint

Viele Kritiker der Urheberrechtsreform, die gestern im EU-Parlament durchgewinkt wurde,  kritisieren diese wegen der nun drohenden Upload-Filter und der damit einhergehenden potenziellen Zensur  im Internet.  Zu Recht ist dies eine grosse Befürchtung vieler, v.a. junger Internet-Nutzer.

Doch die Urheberrechtsreform ist viel mehr als nur der Versuch, Inhalte auf den grossen (und kleinen) Social-Media-Plattformen zu blockieren. Im Kern sehen wir hier den Erfolg der Lobbyarbeit eines kleinen, aber sehr einflussreichen Wirtschaftssektors. Ich will diesen Sektor  als die "alte Zeitungspresse" bezeichnen, obwohl natürlich neben Printerzteugnissen auch noch eine Reihe von anderen herkömmlichen Medienunternehmen mitspielen. Obwohl dieser Wirtschaftssektor recht klein (und schrumpfend!) ist, verfügt er noch über eine hohe institutionelle Macht und gute Vernetzung in Berlin und Brüssel. Der seit Jahren anhaltende Druck von Springerpresse, FAZ und vielen anderen Verlagshäusern hat nun Früchte gezeigt. Es war interessant, nach der Abstimmung im EU-Parlament die fast schon triumphierenden Kommentare in diesen Presseorganen zu lesen.


Der Kern der Reform sieht vor, dass zukünftig für Internetplattformen wesentlich härtere Vorschriften gelten, um urheberechtlich geschützte Inhalte von ihren Plattformen fernzuhalten. Verkürzt gesagt gilt ab sofort das Prinzip, dass Internet-Plattformen präventiv alle möglichen Urheberrechtsverletzungen identifizieren und verhindern müssen, auch wenn sich der Rechteinhaber gar nicht beschwert. Bisher galt, auch wieder verkürzt gesagt, dass bei einer Beschwerde des Rechteinhabers die Plattformen prüfen und die Inhalte dann möglicherweise entfernen mussten. Schadensersatz konnte bisher v.a. gegen die "Uploader" geltend gemacht werden und gegen die Plattformen nur dann, wenn sie auf Hinweise nicht reagiert hatten. Jeder  neutrale Beobachter sieht, dass das alte Verfahren sinnvoll und effizient war. Wo keine Beschwerde, da kann auch der Schaden in der Regel nicht gross sein.  Die "alte Zeitungspresse" verspricht sich jedoch von den neuen Regelungen zum einen, dass die Internet-Plattformen viele Inhalte nicht mehr zeigen werden (ob geschützt oder nicht) und zum zweiten, dass die Internetanbieter mit hohen neuen Kosten zur Prüfung und Filterung belastet werden, die ihr Online-Geschäftsmodell weniger erfolgreich werden lassen. Weiterhin erhoffen sie sich, dass die Internetanbieter für die Nutzung von Urheberrechten (wie z.B. die "Snippets" aus Presseartikeln) hohe Lizengebühren an sie zahlen werden.

Dieses Vorgehen ist vergleichbar mit den Landwirten, die sich vor ungeliebten, günstigeren Konkurrenten aus dem Ausland mit Zöllen schützen oder mit Apotheken, die keine Konkurrenz von Drogerien wollen, und damit argumentieren, dass man zur Abgabe von Aspirintabletten ein pharamzeutisches Studium nachweisen sollte. Man kann auch an die US-Stahlindustrie denken, welche sich von Donald Trumps Protektionismus eine Wiederauferstehung erhofft. Es geht also darum, mit staatlicher Hilfe, Hürden und Wälle gegen neue, attraktivere Konkurrenten zu errichten, um so die eigenen Pfründe zu schützen. Die EU-Urheberrechtsnovelle wirkt  wie eine staatliche Subvention für eine allmählich sterbende Branche, der es in den letzten zwei Jahrzehnten kaum gelang sich auf neuen Wettbewerb einzustellen. Sinkende Auflagezahlen von Druckerzeugnissen und die rapide abnehmenden Werbeeinnahmen für herkömmliche Verlagshäuser sind da nur ein Indikator.

Die US-Ökonomen Gordon Tullock und Anne Krueger haben den Begriff "Rent-Seeking" für dieses weitverbreitete Verhalten von Firmen und Individuen eingeführt. Man könnte ihn im Deutschen frei als "Subventions-Lobbyismus" übersetzen. Das Prinzip ist immer das gleiche: Es geht darum die eigene Position so durch eine Veränderung der staatlichen Regeln zu verbessern, so dass höhere Gewinne in den eigenen Taschen bleiben verglichen mit einer Situation des offenen Wettbewerbes. Ob man dazu Zölle verwendet, offene und versteckte Subventionen oder Regularien, die die ungeliebte Konkurrenz behindern ist dann nur noch eine Frage der politischen Praxis.

Ob solche ein Strategie langfristig erfolgreich ist, sei dahingestellt. Früher oder später verschwinden Geschäftsmodelle, die am Markt nicht mehr nachgefragt werden, ob sie nun unter staatlichem Artenschutz stehen oder nicht. Man denke nur an die Musikindustrie und ihre Klagewelle (Anfang der 2000er Jahre) gegen Teenager, die es gewagt hatten, CDs zu rippen oder MP3-"Piraterie" zu betreiben. Wenig später kamen die Streaminganbieter und heute interessiert sich fast niemand mehr für CDs oder MP3-Downloads. Die Streaming-Anbieter heissen Spotify, Apple oder Amazon und nicht Bertelsmann, Sony oder EMI. Vielleicht haben die Musikdinosaurier zu viel Energie darauf verschwendet Prozesse zu führen und Lobbyimus zu betreiben und zu wenig darauf, ihr Geschäftsmodell zu verändern?

2 Kommentare:

  1. Hallo, Interessante Beiträge, wie kann man den mit dir persönlich in Kontakt treten? Grüße aus Vorarlberg =)

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    1. Schick mir doch eine Direct Message über mein Twitter-Account @spontaneordnung

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