Mittwoch, 1. November 2017

Politiker und Steuern: Aber wir investieren doch!

Gestern Abend fand die Vorstellung der Kandidaten für das Amt des Kreuzlinger Stadtpräsidenten statt. Fünf Herren und eine Dame - von SP bis SVP stellten sich dem Wahlvolk in einer gutbesuchten Versammlung. Immerhin 450 Einwohner der 20'000-Seelen-Stadt Kreuzlingen hatten sich in die Dreispitzhalle begeben.

Wichtigstes Thema war die finanzielle Lage der Gemeinde und die anstehenden Grossinvestitionen (Stadthaus, Schwimmhalle, Kulturzentrum, Parkhäuser usw.). Es geht dabei um ein dreistelliges Millionenvolumen. Derzeit befindet sich die Stadt haushalterisch im Plus beim Vermögen. Der Steuerfuss liegt jedoch trotzdem deutlich über dem kantonalen Durchschnitt. Mit den Investitionen wird man sich zukünftig irgendwo im Bereich von 50-70 Millionen Franken verschulden.


Konsens aller versammelten Politiker (mit einigen Einschränkungen, die vom FDP-Kandidaten gemacht wurden) war: 1. Die Investitionen sind gut (Infrastruktur!). 2. Die Stadt bekommt dafür ja einen Wert. 3. Obendrein benötigt das lokale Gewerbe die Aufträge der öffentlichen Hand.

Drei Aussagen und drei wirtschaftliche Fehlschlüsse, die man immer wieder von Politikern (fast) aller Couleur zu hören bekommt.

Sind Investitionen an sich gut? Nein, natürlich nicht. In der Wirtschaft geht es immer darum Güter für den Konsumenten zu produzieren. Alles wirtschaftliche Handeln ist darauf ausgelegt, mehr und bessere Güter für Dich und mich zu produzieren. Investitionen - ob in Maschinen, Infrastruktur oder Erdlöcher - sind dabei nur das Mittel zum Zweck.

Aber die Stadt bekommt dafür ja einen Gegenwert? Ob "die Stadt" dafür einen Wert bekommt ist völlig unerheblich. Interessanter ist schon die Frage, ob die Bevölkerung oder die privaten Verbraucher einen zusätzlichen Wert bekommen. Das darf bei einem Stadthaus mit Fug und Recht bezweifelt werden, wenn man  davon absieht, dass es damit vielleicht einfacher wird bestimmte Verwaltungsstellen aufzusuchen. Ein Schwimmbad bietet da schon mehr. Sicher eine schöne Sache! Doch die Frage, ist, ob die Bürger ihr sauer verdientes Geld auch in ein Schwimmbad investiert hätten, wenn man es ihnen nicht via Steuern vorher abgenommen hätte? Vielleicht trifft das auf einige wenige zu, man mag an Wassersportler denken oder begeisterte Saunagänger. Andere hätten ihr Geld aber ganz anders investiert - möglicherweise in ein Auto, eine Reise, eine neue Wohnung oder tausende anderer Konsumgüter. Für jeden einzelnen von ihnen wäre der Nutzen grösser gewesen, wenn sie ihr Geld hätten direkt ausgeben können statt es via Steuerabgaben in ein Schwimmbad zu stecken.

Und das ist das entscheidende: Ein öffentliches Schwimmbad entsteht ja nicht mit Geldern, die aus dem Nichts geschöpft werden, sondern es sind Mittel, die dem privaten Konsum vorher entzogen werden. Mancher Politiker würde jetzt antworten, dass dies aber nicht gilt, wenn man mittels der Aufnahme von Schulden investiert. Aber auch dies ist ein Fehlschluss, denn Schulden müssen zurückgezahlt werden und spätestens dann werden sie den Bürgern als Geldmittel entzogen. Am Ende ist der Nutzen eines öffentlich finanzierten Gutes immer geringer als der kollektive Nutzen, wenn die Bürger das Geld privat ganz nach ihren eigenen Wünschen ausgeben können. 

etzt gibt es natürlich gewisse Ausnahmen bei Gütern, die nur öffentlich (also kollektiv) erstellt werden können. Dazu gehören z.B. die äussere Sicherheit, die Reinhaltung der Luft oder auch gewisse Infrastrukturaufgaben (Stichwort "Strassenbau" zur Erschliessung). Alles in allem aber ein sehr eng definiertes Feld; Schwimmbäder und luxuriöse Stadthäuser gehören nicht dazu.

Nun zum dritten Punkt: Das lokale Gewerbe benötigt die Aufträge der öffentlichen Hand. Auch hier muss man bedenken: Geld, welches nicht als Steuern dem Bürger entzogen wird, wird von den Bürgen andersweitig ausgegeben. Auch so profitiert natürlich das Gewerbe. Aber das entscheidende ist: Es profitiert davon jenes Gewerbe, das tatsächlich Güter erzeugt, die der Bürger konsumieren möchte und damit für die Bürger den grösstmöglichen direkten Nutzen erzeugt. Und nicht das Gewerbe, das das "beste Händchen" bei der Auftragsvergabe durch die Politik hat.

Die Diskussion im Stadthaus und der  Standpunkt fast aller anwesenden Politiker war wiedereinmal ein Lehrbuchbeispiel, wie gering das Verständnis für einfache marktwirtschaftliche Zusammenhänge in der Politik ist. Und wie gerne man sich stattdessen auf Wunschlisten von Grossprojekten einlässt, die dem Stadtrat erstrebenswert erscheinen, für die Bürger jedoch kollektiv einen geringen Nutzen haben.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen