Samstag, 2. Februar 2019

Hayek: Progressive Steuern unmoralisch, undemokratisch, unwirtschaftlich

(Dieser Artikel liegt auch als Podcast vor)

Letzte Woche hielt ein gewisser Professor Rutger Bregman auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos eine Wutrede: Globale Ungleichheit zwischen arm und reich sei nur durch massiv höhere Besteuerung auszumerzen. Hohe, progressive Steuern für die Reichen und die Bekämpfung von Steuervermeidung seien der Schlüssel für eine gerechte Welt. Gerechtigkeit durch Umverteilung - natürlich ist dieser "Aufschrei" in den sozialen Netzweken, wie auch in den konventionellen Medien gepushed worden und "viral" gegangen. Besonders neu oder originell sind Bregmans Ideen jedoch nicht. Hayek hat sich damit schon in der Mitte des letzten Jahrhunderts ausführlich kritisch auseinandergesetzt.


In seinem Werk Constitution of Liberty widmet Friedrich von Hayek ein Kapitel dem Thema Besteuerung und Umverteilung ("Taxation and Redistribution"). Ausgangspunkt von Hayek ist, dass sich bis Mitte des 20. Jahrhunderts das System der progressiven Besteuerung fast in allen westlichen Gesellschaften durchgesetzt hat. 
"Umverteilung durch progressive Besteuerung ist überall und weitgehend als gerecht akzeptiert" (Constitution of Liberty, S.431)
Doch was ist eine eigentlich eine progressive Steuer? In der Regel spricht man davon im Zusammenhang mit der Besteuerung des Einkommens. Lange Zeit gab es nur eine proportionale Besteuerung. Man denke nur an den "Zehnten" der von den Bauern abzugeben war: Also 10% ihrer erwirtschafteten Güter. So stellt also die proportionale Steuer einen einheitlichen Satz dar, der auf das gesamte Einkommen angewendet wird, ob dieses nun hoch oder niedrig ist. Bei der progressiven Besteuerung ändern sich die Steuersätze aber nun mit der Zunahme des Einkommens. Während beispielsweise die ersten 10'000 Euro nur mit 5% besteuert werden, wird ein Einkommen zwischen 10'000 und 50'000 mit 20% besteuert und alles Einkommen über 50'000 mit 50%. So ergeben sich für niedrige Einkommen niedrige durchschnittliche Steuersätze, während mit steigenden Einkommen die durchschnittlichen Steuersätze immer weiter ansteigen.

Historischer Fakt ist, dass die erste progressive Einkommenssteuer erst 1891 im militarisierten Preussen eingeführt wurde. Es vergingen 20 Jahre bis die progressive Besteuerung ihren Weg zu den angelsächsischen Ländern fand. 1910 und 1913 führten UK und die USA progressive Besteuerung an, mit dem Spitzensteuersatz von 8.25% (UK) und 7% (USA). Doch innerhalb von 30 Jahren stiegen diese Sätze auf 97.5% und 91%! Man sieht hier übrigens sehr schön, wie es Militarismus und Krieg waren, die die Steuersätze in die Höhe schnellen liessen.

Während anfänglich die Fähigkeit höhere Lasten zu tragen der wesentliche Grund für die progressive Besteuerung war, erwies sich dieses Argument mit den steil ansteigenden Sätzen als offensichtlich falsch. Und so fanden die Befürworter eine neue Argumentation: Die Erzielung einer gerechteren Verteilung des Einkommens. Diese Argumentation erlaubt es, die Steuersätze immer weiter nach oben zu schrauben, ohne dass man in Rechtfertigungszwang kommt. Denn wer kann schon etwas gegen eine "gerechte Verteilung" der Einkommen haben? Und vor allem: Die Definition von "gerechter Verteilung" ist äusserst dehnbar, denn es gib keinen objektiven Massstab dafür! Gerecht ist, was eine politische Partei für gerecht halten mag oder im besten Fall, was die Mehrheit der Wählerschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt als gerecht ansieht.

Hayek verurteilt diese beliebige Argumentation scharf und entlarvt sie als Scheinargumentation. Er zeigt anhand von sechs Punkten auf, warum progressive Besteuerung moralisch und wirtschaftlich schädlich ist.

1. Diskriminierung einer Minderheit: Progressive Besteuerung, welche meist ja durch den demokratischen Prozess eingeführt und verschärft wird, ist die Ausbeutung einer Minderheit auf Beschluss der Mehrheit. Politiker, unterstützt von der Wählerschaft mit mehrheitlich niedrigeren oder geringeren Einkommen, auferlegen einer Minderheit mit höheren Einkommen die grössten Lasten. Während eine proportionale Besteuerung die Lasten relativ gleich verteilt, findet hier eine Diskriminierung der Minderheit durch die Mehrheit im politischen Prozess statt.
"Dass eine Mehrheit, nur weil sie eine Mehrheit ist, das Recht haben sollte, eine Bürde für eine Minderheit zu beschliessen, eine Bürde, die nicht auf sie selbst angewendet wird, ist eine Verletzung der demokratischen Spielregeln, eine Verletzung der fundamentalen Prinzipien der Demokratie." (Constitution of Liberty, S.441)
2. Verletzung des universalen Prinzips der Demokratie: "In keinerlei Hinsicht kann die progressive Besteuerung als ein universales Prinzip, welches auf alle Bürger die gleiche Anwendung findet gesehen werden. In keinerlei Hinsicht sind die Besteuerung des einen Einkommens mit 20% und eine Steuer von 75% auf das höhere Einkommen einer anderen Person als gleichwertig zu sehen" (Constitution of Liberty S.441 f)

3. Kalte Progression: Es zeigt sich, dass der Anstieg aller Einkommen, welcher durch die Inflation quasi automatisch erfolgt, mehr und mehr Bürger in höhere Besteuerungsklassen steigen lässt. Dies geschieht ohne dass die realen Einkommen tatsächlich steigen würden. D.h. der Steuersatz steigt, aber das reale Einkommen bleibt gleich. Man nennt dies die kalte Progression. Es ist dies einer der wesentlichen Faktoren, warum progressive Steuerregime automatisch immer mehr Bürger immer stärker besteuern. Es ist dies die Ironie der Geschichte, dass nach und nach jene Mehrheit, welche die hohen Steuersätze nur für die gutverdienende Minderheit vorsah, nun teilweise selbst darunter fällt.

4. Gleiche Arbeit wird ungleich besteuert: Nehmen wir an ein Rechtsanwalt hat hart dafür gearbeitet, dass er ein hohes Einkommen erzielt. Nehmen wir an, er hat für mehr Mandanten mehr Stunden gearbeitet als sein Kollege nebenan. Im Ergebnis wird jede zusätzliche Anstrengung von ihm nun mit einer wesentlich höheren Steuerlast belegt als die seines Kollegen, der sich weniger ins Zeug legt. Dies bedeutet, dass Fleiss und zusätzliche Anstrengung mit einem negativen Anreiz versehen wird.

5. Innovation wird erschwert: Die Entwicklung neuer Produkte oder Erfindungen erfordert oftmals, dass ein Innovator, ein Start-up oder Erfinder lange Zeit in die Entwicklung eines neuen Produktes oder einer Dienstleistung investieren und kein oder nur ein geringes Einkommen erzielen. Alle grossen Innovationen sind darauf ausgerichtet, dass bei einem Durchbruch ein hohes Einkommen erzielt wird. Doch wenn dieser Erfolg eintritt, wird er umgehend mit einer hohen Besteuerung konfrontiert. Viele Jahre des Darbens und des Opferns werden nun vom Staat durch eine exzessive Besteuerung des Erfolges sanktioniert! Dieser Mechanismus ist eine Innovationsbremse ohne gleichen. Sicherlich können sich Unternehmen mit einer Reihe von steuerlichen Manövern etwas dagegen schützen - man denke an das Mittel der Verlustvorträge. Doch der einzelne Innovator kann dies nicht, denn auf der Ebene des Individuums fällt die volle Steuerlast an. Grosse etabliert Firmen sind so im Vorteil und junge, neue Wettbewerber werden bestraft und abgeschreckt.

6. Die Entwicklung von aufstrebenden Volkswirtschaften wird behindert: Die Einführung der progressiven Besteuerung in Entwicklungsländern führt dazu, dass schon Einkommen, die im Vergleich mit entwickelten Ländern, sehr niedrig sind unter hohe progressive Steuersätze fallen. Dadurch wird es den aufstrebenden Schichten dieser Volkswirtschaften verunmöglicht sich in Richtung der Lebensbedingungen in wirtschaftlich weiter entwickelten Gesellschaften zu entwickeln.

Hayek zeigt mit diesen sechs Punkten, dass progressive Besteuerung nicht nur wirtschaftlich fragwürdig sondern auch im Hinblick auf moralische und demokratische Prinzipien verwerflich ist. Nur eine proportionale Besteuerung kann im Hinblick darauf bestehen. Denn nur wenn Mehrheit wie Minderheit relativ gleich belastet werden, kann die Mehrheit für sich in Anspruch nehmen gerecht und nach dem Gleichheitsprinzip zu handeln. Es mag heute utopisch erscheinen, dass diese Argumente in unseren wohlfahrtsstaatlich-sozialistisch geprägten Gesellschaften anerkannt werden. Doch es bleibt wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass das Argument der Umverteilung durch Steuern langfristig nicht nur zum wirtschaftlichen Schaden der Gesellschaft ist, sondern auch zur Aushöhlung von Demokratie und Gleichheit führt. Die mehr als bescheidenen Produktivitätszuwächse über die letzten Jahrzehnten in den westlichen Gesellschaften bezeugen den wirtschaftlichen Schaden. Aber die Aushöhlung des politischen Systems durch immer weitere Ausbeutung einer Minderheit ist ebenso zu verurteilen.


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